Sven Friedrich (Zeraphine) im Interview Drucken E-Mail
Geschrieben von: Wolfgang Hesse   
Sonntag, den 26. September 2010 um 19:38 Uhr


Sven, zuvor vielleicht etwas über dich: Wie bist du zur Musik gekommen? Seit wann machst du Musik? Was waren deine Erfahrungen in dieser langen Zeit, wenn du zurückblickst?

Sven Friedrich (SF): Musik mache ich seit dem 6. Lebensjahr, habe klassische Gitarre erlernt, Schlagzeug und Klavier und als Sänger kam noch Gesangsunterricht dazu. Seit meinem 13. Lebensjahr bin ich mit Bands unterwegs und habe alle Erfahrungen als Musiker gemacht, die es gibt.

Damit meine ich die tollen, aber auch die beschissenen Momente, wobei die tollen letztendlich überwogen haben, sonst würde ich es heute nicht mehr machen. Jede schlechte Erfahrung hilft aber auch weiter. Man lernt immer aus Fehlern und am meisten aus denen, die man selber macht.


Wahrscheinlich muss man viele Sachen auch selbst durchleben, sonst glaubt man nie, was einem andere erzählen. Bei Zeraphine brachten wir unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit mit, und so konnten wir schon einmal nicht die gleichen Fehler machen. Die Besetzung hat sich seit Gründung der Band nicht geändert.

Euer neues Album "Whiteout" wurde zum 11.06.2010 veröffentlicht. Wie kam es zum Albumtitel?


SF: Ich bin durch den Namen eines Songs von Killing Joke aus dem Jahre 1994 angeregt worden, das Album so zu nennen. Als "whiteout" bezeichnet man ein meteorologisches Phänomen, bei dem Himmel und Erde verschmelzen und man dadurch den Unterschied nicht mehr erkennt. Ich fand das als einen sehr schönen Vergleich, wenn durch Einwirkung von außen die Wahrnehmung sehr stark beeinträchtigt wird. Das passiert übertragen überall und ständig, darin geht es auch irgendwie immer in meinen Texten

Das Cover ist ein echter Hingucker. Hat diese gerissene Fassade eine bestimmte Aussage?

SF: Das Artwork stammt von mir selbst. Ich bin gerade auf einem Trip, alles Ansehnliche irgendwie zu zerstören. Die zerrissene Haut sollte bedeuten, dass man eine Schicht wegnehmen muss, wenn man dahinter gucken möchte.

Auf einigen Vorabsamplern war das Lied "Louisa" zu hören. Warum wurde dieses Lied ausgewählt? Ist dieses Stück repräsentativ für das Album?

SF: Ich denke, zum Teil schon, obwohl es nicht die Single ist. Es ist immer schwer, einen Song vorab auszusuchen, da würden sich die experimentellen eher schlechter eignen.
In Kooperation mit Burger King und Tape TV ist ein Video zur Singleauskopplung Out Of Side entstanden. Der Clip (Hyperlink: http://vids.myspace.com/index.cfm?fuseaction=vids.individual&videoid=105017304)  ist auf unserer MySpace-Seite zu sehen.

Bei Whiteout haben auch Gäste mitgewirkt. Wer ist das im Einzelnen, und wie kam es dazu?

SF: Das ist zum einen Juliane Richter als Sängerin. Sie hat uns auch live bei den Dreadful- Shadows-Konzerten unterstützt und ist bei der Band Eminence of Darkness und mit Andre Feller beim Projekt Herzfeind aktiv. Die Streicher der Letzten Instanz, Benny Cellini und Muttis Stolz, sind bei zwei Songs zu hören. Sie sind es gewohnt, in einer Rockband zu spielen. Für klassische Streicher ist dies oft schwierig. Ich kenne die Instanz schon seit einer Ewigkeit und hatte mit ihnen in der Vergangenheit schon Kooperationen auf Kalter Glanz und beim Lied Stimmlein.

Kannst du etwas zum Inhalt und Stil des neuen Albums sagen? Ist Zeraphine sich treu geblieben?

SF: Inhaltlich geht es um Menschen. Es geht um schlechte Eigenschaften, wie sich Menschen in einem bestimmten Zeitraum verändern, wobei ich auch Impulse aus meinem Bekanntenkreis, die mich bewegen, einbeziehe. In den Texten verarbeite ich auch Sachen, mit denen ich nicht umgehen kann. Ich versuche einen Stil zu entwickeln, aber ohne konkrete Geschichten zu erzählen, die Emotionen in Worte zu verpacken und zu transponieren, sodass die Leute meine Songs sehr unterschiedlich interpretieren.

Ich finde es schon recht interessant, dass man das Positive und auch das Negative zugleich hineininterpretiert. Das ist auch meine Absicht und scheint zu funktionieren, was mir Mails schon bewiesen haben.

Wir haben unterschiedliche musikalische Backgrounds. Die Gitarristen kommen aus der Depeche-Mode-Ecke, ich eher von dem Düsterkram. Unser Bassist kommt aus dem Independence-Pop-Bereich und Marcellus hört einfach alles, hat keine Berührungsängste und spielt in der Nina-Hagen-Band. Dadurch wird alles sehr variabel. Wir haben einen eigenen Sound, der zu uns gehört und wir versuchen uns nicht bei jedem Album neu zu erfinden. Wir mögen die Musik, die wir machen, experimentieren trotzdem immer, um uns weiterzuentwickeln, wollen aber unseren Stil nicht umkrempeln.

Gibt es auch deutsche Songs auf dem Album?

SF: Auf dem Album sind zwei deutsche Songs zu hören. Es ist sehr wichtig zu entscheiden, zu welchen Liedern welche Sprache passt. Diesmal war es mehrheitlich das Englische. Inzwischen kommen unsere Fans auch ganz gut damit klar. Ich finde beide Sprachen recht unterschiedlich und passend, sodass ich zur Musik immer das Richtige einzusetzen kann.
Das Album gibt es in drei Varianten.

Wie entstehen die Lieder für Zeraphine, wer schreibt die Musik, wer die Texte?

SF: Die Texte und die Gesangsmelodien schreibe ich selbst. Von den zwölf Liedern auf dem neuen Album sind vier nicht komplett von mir. Zuerst ist immer die Musik da. Ich produziere die Songs vor, alles andere ist dann Gemeinschaftsarbeit.

Ihr wart als Zeraphine lange nicht auf Tour? Gab es dafür Gründe?

SF: Bis auf ein paar Einzelkonzerte und Festivals waren wir vier Jahre nicht unterwegs. Das war uns auch zu lang. Wir hatten kein neues Material und haben nach einem neuen Modell gesucht, um das Album zu veröffentlichen. Das Vorgängeralbum haben wir über ein Eigenlabel veröffentlicht, was sehr schön war, hat aber auch sehr viel Arbeit gemacht. Die Abrechnungsszenarien und der ganze Papierkram waren sehr nervig. Wir haben mit vielen Plattenfirmen geredet, sondiert und zum Glück dann in Berlin ein tolles Modell gefunden. Es ist ein Mittelding zwischen Plattenfirma und eigenem Label. Bei BMG Rights haben wir vollen Einfluss auf Promoagentur, Booking, Produktmanager und Kommunikation. Der eigentliche Vertrieb und der Papierkram bleiben uns erspart.

Zu deinen anderen Projekten: Was waren die Gründe, seit 2007 wieder mit den Dreadful Shadows aufzutreten?


SF: Die Dreadful Shadows waren ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Ich habe wirklich gebraucht, um mich davon zu lösen. Dann haben wir vor ein paar Jahren gesagt, ok, die Leute wollen uns hören, dann lasst es uns mal versuchen, und wir hatten Spaß daran. Seitdem machen wird das sporadisch, immer wenn sich etwas anbietet.

Die Auftritte sind entspannend. Wir müssen niemandem mehr etwas beweisen und es macht sogar noch Spaß, die alten Songs zu spielen. Die Besetzung ist die gleiche, mit der wir damals aufgehört hatten. Die Konzerte sind super angekommen und die Bedeutung für die Szene ist mir erst jetzt bewusst geworden. Ich glaube aber nicht, dass wir noch einmal ein Album machen werden.

Solar Fake ist ein rein elektronischen Projekt. Wie bist du neben der eigentlich rockigen Erfahrung gerade auf Elektronik, insbesondere auf Industrial gekommen?

SF: Ich mag elektronische Musik schon sehr lange. Unter anderen haben mich Deine Lakaien zur elektronischen Musik inspiriert. Hier habe ich erkannt,was für Kunst in der Elektronik steckt. Es war ein Herzenswunsch, ein rein elektronisches Projekt zu machen. Hier kann ich für alles ganz allein zuständig sein. Es macht mir unglaublich viel Spaß.
Auf der Bühne und auch im Projekt werde ich durch Frank unterstützt, wobei das Musikalische komplett bei mir liegt. Ich bin sehr zufrieden mit der Resonanz auf Solar Fake.

Du legst auch häufig in Clubs auf. Ist das ein Hobby von dir, und welche Musik bevorzugt du dabei?

SF: Im Leipziger Darkflower lege ich regelmäßig aller 3 Monate auf. Aber auch in anderen Clubs mache ich das hin und wieder. So war ich letztens in Thessaloniki. Das mache ich aus Spaß, wobei ich nur Sachen auflege, die mir gefallen und nicht zu szenefremd sind.

Herzlichen Dank, Sven,  dass du dir die Zeit für uns genommen hast – und alles Gute fürs neue Album, deine Projekte und die Tour!