Schneewittchen: Keine Sekunde Schweigen Drucken
Geschrieben von: Charly Groß   
Donnerstag, den 23. August 2012 um 13:02 Uhr

sony musicLabel: Ariola/Sony Music
Genre: Alternative-Pop
Erscheint: 24. August 2012


17 Jahre schon machen Marianne Iser und Thomas Duda aus Hannover gemeinsam Musik. Begonnen hatte ihr Zusammenspiel 1995 in Hildesheim. Von da an gingen sie in sämtliche Clubs und Locations, um sich und ihre Art der Musik zu präsentieren.

Ihr Debütalbum "Töte Mich Ganz" kam 1998 heraus. Bis zum zweiten traten sie unter ihren bürgerlichen Namen auf. Ab der dritten Silberscheibe, im Jahr 2003 erschienen, sind sie als Schneewittchen bekannt. Mit "Keine Sekunde Schweigen" liegt nun das sechste Studioalbum vor.

Gegen Schubladendenken

Mit der aggressiven Nummer "Keine Sekunde Schweigen" startet das Album. Frontfrau Marianne Iser spricht als Stimme der gebrochenen Seelen, die durch ihr Andersdenken und -handeln  auffallen und weggesperrt werden. Eine Art "Lebenslauf" eines derjenigen spult sich ab, der in keine der gedachten gesellschaftlichen Schubladen passt. Im folgenden "Fürchte Dich Nicht" zeigt die Diva mit halb punkigen, halb operesken Einlagen ihr Können. Über den Text lässt sich streiten – Sound, Rhythmus und Stimme reißen mit.

Ganz deutlich wird zum Anderssein in dem nachdenklich stimmenden und gleichzeitig motivierenden Song "Du Musst An Dich Glauben" ermutigt. Es war das letzte offizielle Lied während des Wave-Gotik-Treffens 2012 auf der Sixtina-Bühne (Rezianer berichtete) und es ist eines der ergreifendsten dazu. Schon auf ihrem dritten Album war es vorhanden und ziert nun ebenso das neue. "Du Musst An Dich Glauben" macht bewusst, dass jeder auf sich selbst angewiesen ist, jede Stunde, jeden Tag, jede Nacht. Man muss sich immer wieder aufrappeln, durchhalten und um seine eigene Seele, Persönlichkeit und vor allem sein eigenes Ich kämpfen.

Einsamkeit

Ein nächstes Thema des Albums ist Einsamkeit. Nehmen wir "Verbissen": In diesem Lied wird von einer verbitterten Frau erzählt, die die Männerwelt und die Gesellschaft zerbrochen haben. Auch "Ist Das Schon Alles gewesen?", das bereits auf dem Debütalbum erschien, setzt dort an. Eine Frau, die aus dem Gesellschaftsbild "schön" herausfällt, wünscht sich nicht mehr als geliebt und respektiert zu werden, bis sie halb wahnsinnig nur noch auf das Ende wartet.

Liebe und Leid

Die Liebe als drittes Thema zeigt sich erstmals in "Zwischen Bauchnabel Und Brust". Hier hatte sich das Ich in "fremden Körpern verkrallt", die "Sonne nicht mehr gesehen" und fand dann schlussendlich die Liebe des Lebens. Dieser Song ist sowohl durch den sinnlichen Text als auch durch die Streicher und die zum Ende hin semi-choralen Klänge sehr gefühlsbetont. Den Mut zum stärksten Gefühl überhaupt zelebriert ebenso das Stück "Ja, Ich Will". Gefühl- wie auch kraftvoll sind Text und Melodie. Die Liebe beginnt dort, "wo die Sicherheitsleine reißt". Der Titel wurde vorab im Dezember 2011 als EP ausgekoppelt.

Eine weniger glückliche Beziehung hingegen wird mit "Töte Mich Ganz", dem Titelsong vom schon erwähnten Debütalbum, beschrieben. Der verzweifelte Wunsch einer Frau nach körperlicher Nähe geht durch das discobeatlastige Stück und prallt am Partner, der neben ihr im Bett liegt, ab. So wird aus "liebe mich ganz" "töte mich ganz". Zum Ende hin wird es aggressiver und die Stimme von Marianne Iser härter.

"Der Ring An Deinem Finger" wählt dasselbe Thema, spielt es aber anders aus. Dort ist die Liebe am Vergehen und macht noch einmal auf sich aufmerksam. Dieses Lied ist eine Mischung aus sanften und schnelleren Klängen. Während die Strophen in einer ruhigen, fast zitternd-gehauchten Stimme wiedergegeben werden, gewinnt im Refrain die Verzweiflung die Oberhand.

Bei "Jenseits Von Gut Und Böse" ist der Titel Programm. Nach dem Motto "Gegensätze ziehen sich an" wird hier um das männliche im wahrsten Sinne des Wortes Gegenstück gebuhlt: "Du mit deinen tief-schwarzen Augen und ich mit meiner weißen Haut". Der peppige Song mit Gothpopcharakter animiert zum Mitwippen und -singen und ist daher ein echter Anspieltipp.

Flucht in die Nacht

"Zwischen-den-Welten-Tänzerin" erinnert vom Thema sehr an die "Königin" von Rosenstolz und reißt ebenso mit. Zwei Themes sind hier vorhanden: das sehr kraftvoll-poplastige in den Strophen und das melodiös-sanfte als Interim.

Und wieder Sehnsucht

Das balladeske "Wunderbar" ist mit seiner hymnenartigen Melodie und dem sinnlichen Text ein weiterer Anspieltipp. In diesem Stück wird die Sehnsucht ganz groß geschrieben, das Verzehren nach dem nicht-erreichbaren Geliebten.

So energiegeladen und laut das Album startet, so ruhig und leise endet es. In "Genialer Augenblick" geht es um das Ende einer Liebe, um den vielleicht letzten bewussten gemeinsamen Augenblick. Vereinzelt hört man Drums und Bass, dazu die ruhig-schwingende Stimme der Sängerin. Dann klingt es allmählich aus.

Klassik und Chanson sowie Pop und Punk bringen Farbe und Abwechslung in das Album, das durch die mal schrille, dann wieder sanfte bis gehauchte Stimme der Sängerin besticht. Wenn auch die Verwendung einiger Wörter scheinbar sehr kontrastreich zu Inhalt und Melodie stehen, regen die meisten Texte doch zum Nachdenken an. Sie sind markant, kantig, poetisch und gefühlvoll, wie ihre Interpretin selbst.

Trackliste
01 Keine Sekunde Schweigen
02 Fürchte Dich Nicht
03 Töte Mich Ganz
04 Zwischen Bauchnabel Und Brust
05 Ja, Ich Will
06 Du Musst An Dich Glauben
07 Zwischen-den-Welten-Tänzerin
08 Jenseits Von Gut Und Böse
09 Ist Das Schon Alles Gewesen?
10 Der Ring An Deinem Finger
11 Wunderbar
12 Verbissen
13 Genialer Augenblick

14 Bonus: Video "Keine Sekunde Schweigen"

Band
Marianne Iser: Songwriting/Vocal
Thomas Duda: Keyboard

Tourdaten

03.11.2012 - Benefizkonzert zugunsten der Wallwitzburg, Marienkirche Dessau, Dessau-Roßlau
17.11.2012 - Feuerwache Magdeburg, Magdeburg
15.12.2012 - Bürgerschule Nordstadt, Hannover
26.12.2012 - "Schwarze Weihnacht", Theater Tiefste Provinz, Kremmen
27.12.2012 - "Schwarze Weihnacht", BKA-Theater, Berlin

Weitere Infos
Homepage Schneewittchen: www.schneewittchenmusik.de
Facebook Schneewittchen: www.facebook.com/schneewittchenmusik

Vielen Dank an Sony Music und Danse Macabre für die Bereitstellung des Rezensionsmaterials!