Joachim Witt: Neumond Drucken E-Mail
Geschrieben von: Wolfgang Hesse   
Sonntag, den 04. Mai 2014 um 20:27 Uhr

Cover (c) SPVLabel: SPV
Genre: Alternative
Erschienen: 26. April 2014


Es ist kein Geheimnis, dass Martin Engler und Mono Inc. seit Kurzem eng mit Joachim Witt zusammenarbeiten. Ein Ergebnis ist unter andern die Gastrolle von Joachim Witt mit "Kein Weg Zu weit" auf der letzten Scheibe der Band: "Nimmermehr". Mehrere Live-Auftritte, wie bei Blackfield 2013, sowie eine gemeinsame Tour sind den Besuchern noch gut in Erinnerung. Die Zusammenarbeit hat auch Joachim Witt gut getan. Herausgekommen ist ein Album, das Witt neu, anders und persönlicher erscheinen lässt. Der Einfluss aus der Ecke Mono Inc. ist dem Album anzuhören, doch dieser steht der Musik und der Ausdruckstärke der Lieder gut zu Gesicht.

 

Viel Herzblut und tiefe Emotionen sind den Texten anzumerken

Bis auf "Herz" stammen alle Songs ausschließlich von Witt. Komposition, Programmierung und Instrumentierung hat bei allen Liedern allein Martin Engler beigesteuert. Er hat es auch geschafft, das Album, sowohl für die schwarze Szene als auch die alten Fans von Joachim Witt interessant erscheinen zu lassen.

"Aufstehen", der Opener, ist dabei so ein Aha-Effekt beim ersten Reinhören. Direkt und brachial arrangiert, lässt er den Hörer aufhorchen und nicht wieder los. Text und Musik regen zum Nachdenken an. "Weil wir eisern sind", was meint Witt damit? Erinnert er da ein wenig an "Eisenherz" oder die "Bayreuth"-Serie? Zumindest will er zusammen mit einem "Fahnenmeer" wieder aufstehen und weitermachen.

Mitreißender Rhythmus lässt keine Langweile aufkommen, ebenso bei Track zwei: "Der Himmel Brennt". Eine düstere Rocknummer, die aber dennoch Hoffnung vermittelt, denn "Ich verliere meine Träume nicht", heißt es da, auch wenn der Himmel aufreißt und alles zu verbrennen droht.

Schmerz und Hoffnung

Die folgende Nummer ist eine innige Ballade, die vielen aus dem Herzen sprechen mag. Bei unendlicher Traurigkeit tut es zumindest sehr gut, wenn man dabei nicht allein ist. "Ich teile dein Leid, ich teile deinen Schmerz", ruft Witt den Geplagten zu, und dies "Bis ans Ende der Zeit". Vielleicht gibt es doch ein Licht am Horizont, das das Lachen einmal wiederbringt? Zumindest, so Witt, gibt es dafür Hoffnung. Die Melodie ist sehr einprägsam und man meint den Text selbst schon einmal gehört zu haben. Der Gedanke wird den einen oder anderen unweigerlich mitsummen lassen.

Treibender Düsterpop à la weithin bekannter Beispiele erwartet den Hörer stattdessen bei "Mein Herz". Elektronische Klänge, ein dynamischer Schlagzeugdrive und ein Text, der viele Fragen offen lässt, nehmen den Hörer einfach mit, zum Träumen.

Ähnlich instrumentiert ist auch "Es Regnet In Mir". Doch hier bekommt der Text wesentlich mehr Gewicht. "Ich will jemand anders sein", konstatiert der Sänger und resigniert danach gleich wieder, denn "ein Teil von mir steht auf und ein Teil von mir bleibt liegen". Sphärische Sounds schaffen in der Mitte des Songs einen kleinen Ruhepunkt.

Den Neuanfang wagen

"Strandgut" ist eines der bemerkenswertesten Stücke auf dem Album. Zum einem besitzt der Song eine sehr eingängige Melodie, die im Ohr bleibt. Ähnlich wie beim Song "Die Flut", den Witt und Peter Heppner zu einem Klassiker werden ließen, muss jemanden solch eine Melodie erst einmal einfallen. Der Text zeigt deutlich die Angst und die Hoffnung, wieder einmal neu anzufangen, jedoch auch die möglichen Folgen, wenn es nicht gelingen sollte: "Ich weinte hinterm Deich".

Die Texte von Joachim Witt sind seit jeher nie eindeutig und lassen viele Interpretationen zu. Dies wird auch auf diesem Album deutlich und ist nicht für jeden zu verstehen. Witt bringt hier ein Potential mit, das einfach gewürdigt werden sollte. Wie sehr er sich dabei selbst offenbart, zeigen die gesprochenen Worte in "Neumond", der Track, der dem Album den Titel gab.

Das rhythmischste Lied der Scheibe könnte wohl "Spät" sein, bei dem sich am ehesten die Mono-Inc-Herkunft erahnen lässt, wenn auch ohne die üblichen Rockgitarren. Spät ist eine mitreißende Nummer, die sicher auch ein Radiohit werden könnte.

"Dein Lied" kann Anleihen aus der sogenannten Neuen Deutschen Härte nicht verhehlen, klingt jedoch aufgrund der rein elektronischen Instrumentierung wesentlich sanfter. Der Rhythmus ist tanzbar und wird auch auf Livekonzerten seine Liebhaber finden.

"Fahnenmeer" heißt der Abspann von Neumond und ist eine Reprise zu "Aufstehen", dem Opener. Es ist ein Instrumental, das mit breiten elektronischen Klangteppichen den Hörer noch einmal träumen und das Album innerlich Revue passieren lassen möchte.

Bonus mit Stil

Die Bonus-CD der Limited-Edition enthält einige Remixe, darunter einen von Lord Of The Lost. Düstere Rockriffs der Gitarren bringen das Lied musikalisch in eine ganz andere Richtung und Anleihen an Industrialelemente gestalten "Die Erde Brennt" zu einer echten Rocknummer.

Bemerkenswert ist auf dem Bonus auch ein Duett mit Lisa Gerrard. "Hoping" ist instrumentiert mit Klavier und Streichern, also rein klassisch. Hier kommt ganz besonders Witts charismatische Stimme zur Geltung, vereint mit dem Sopran der Dead-Can-Dance-Sängerin. "

Ein anderer Witt wird auf "Neumond" offenbar

Der "Goldene Reiter" hat in seiner Schaffenszeit Rock, Pop, Neue Deutsche Welle, Neue Deutsche Härte und pompöse Elektronik durchschritten. Selbst gegenüber dem Albumvorgänger "Dom" hat er den dort eingeschlagenen Weg verlassen. Seinen Texten bleibt der seit 1973 aktive Ausnahmesänger immer treu. Auch wenn die Zuhörer auf seine NDW-Hits nicht verzichten wollen, den Witt von damals gibt es nicht mehr und er ist mit "Neumond" authentischer denn je, ein Mann, der mit 65 Jahren noch etwas zu sagen hat.

Trackliste
01 Aufstehen
02 Die Erde Brennt
03 Bis Ans Ende Der Zeit
04 Mein Herz
05 Es Regnet In Mir
06 Strandgut
07 Ohne Dich
08 Neumond
09 Spät
10 Dein Lied
11 Frühlingskind
12 Fahnenmeer

Bonus-CD
01 Hoping (mit Lisa Gerrard – Dead Can Dance)
02 Der Herbst
03 96 Tage
04 Aufstehen (Martin Engler Remix)
05 Die Erde brennt (Lord Of The Lost Remix)
06 Mein Herz (Girls Under Glass Remix)
07 Mein Herz (Unplugged)

Aktuelle Tourtermine (Neumond-Tour 2014)

06.05.2014 Hamburg - Markthalle
07.05.2014 Mannheim - Alte Seilerei
08.05.2014 Aschaffenburg – Colosaal
09.05.2014 Leipzig - Haus Auensee
10.05.2014 Köln - Live Music Hall
15.05.2014 München - Bachstage Halle
16.05.2014 Kaiserslautern - Kammgarn
17.05.2014 Bochum - Matrix

---> Video zu "Mein Herz"

 

Weitere Infos
Homepage: www.joachimwitt.de
Facebook: www.facebook.com/joachimwittmusik

Vielen Dank an Die4Ma und SPV für die Bereitstellung von Rezensionsmaterial, sowie an KunstMedienPlatz für die Unterstützung!